Ethik: Auch an die Außenwirkung denken!

Lösungsansätze

Worin liegt also die Lösung? Die derzeit angestellten Überlegungen, Kenntnisse im Berufsrecht zur Voraussetzung für die Zulassung zur Anwaltschaft zu machen sind zwar berechtigt. Wer sollte das Berufsrecht und die dort niedergelegten Core Values – Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Verbot der widerstreitenden Interessen – kennen, wenn nicht die Anwaltschaft? Und bislang spielt das Berufsrecht in der juristischen Ausbildung allenfalls eine eher untergeordnete Rolle. Allerdings kann eine Kenntnis des Berufsrechts eine Berufsethik nicht ersetzen. Denn nach Georg Jellinek ist Recht „nichts anderes als das ethische Minimum“. Mit anderen Worten: Eine ethische Standortbestimmung setzt erst dort an, wo das Berufsrecht endet. Es geht also darum, neben dem rechtlich Erlaubten das moralisch Richtige zu erfassen, also einen ethischen „Überhang“.

Wenn also die berufsrechtlichen Überlegungen nicht weiter helfen finden sich vielleicht übertragbare Lösungsansätze in anderen Rechtsordnungen. Markus Hartung etwa blickt nach England („Neue Wege für die Ethikdiskussion – hilft Blick nach England?“, Anwaltsblatt 2014, S. 1019f.). Dort wird unter anderem das Verhältnis kollidierender „Principles“ geregelt und dabei dem öffentlichen Interesse Vorrang gegenüber dem Mandanteninteresse und dem Interesse des Anwalts eingeräumt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Stephen Mayson in seinem Beitrag „Restoring a future for law“. Auch er schlägt vor, eine Balance zu finden zwischen dem öffentlichen Interesse, dem Interesse der Mandanten und der Professionalität des Anwalts und dabei im Blick zu behalten, dass Recht nicht nur, aber auch ein Geschäft ist. Vorgaben für den Ausgleich zwischen den einzelnen Interessen zu machen, die der Rechtsanwalt bei der Ausübung seines Berufs zu wahren hat – hier könnte ein Ansatz für eine anwaltliche Ethik liegen.

Kommunikative Funktion der Ethik einbeziehen

Zu welchem Ergebnis man auch kommen mag, an welchen Maßstäben sich eine Anwaltsethik im Ergebnis auch orientiert – dass die Diskussion um eine Berufsethik der Anwaltschaft wieder aufgenommen wird ist erst einmal gut und wichtig. Die Frage nach einer ethischen Standortbestimmung ist, auch weil es um das Renommee der Anwaltschaft nicht gut bestellt ist, nach wie vor aktuell, wenn nicht sogar aktueller als in den vergangenen Jahren. Schließlich genießt nur ein angesehener Beruf auch das Vertrauen derjenigen, die eine anwaltliche Leistung in Anspruch nehmen wollen, sollen oder müssen.

Es ist also zu begrüßen, die berufsethischen Überlegungen, wie von Hartung vorgeschlagen, fortzusetzen. Dabei sollte neben den inhaltlichen Fragen, die ohne Zweifel entscheidend sein müssen, auch die kommunikative Funktion der Ethik, also die Außenwirkung eines ethischen Bekenntnisses, stärker als bislang in den Blick genommen werden. Denn Vertrauen kann eine anwaltliche Berufsethik nur dann schaffen, wenn die potentiellen Mandanten auch wissen, dass es sie gibt.

Zum Nach- und Weiterlesen:

  • Joachim Wagner, Vorsicht Rechtsanwalt, 2014, S. 30ff., 283ff.
  • Markus Hartung, „Neue Wege für die Ethikdiskussion – hilft Blick nach England?“, Anwaltsblatt 2014, S. 1019f.
  • Martin Henssler, „Die Anwaltschaft zwischen Berufethos und Kommerz“, Vortrag gehalten am 06.06.2008 auf der Festveranstaltung des 100-jährigen Jubiläums der Soldan-Stiftung, AnwBl 2008, 721ff.
  • Corinna Budras, Anwälte im Ethik-Fieber, zum Zusammenhang zwischen Image-Verlust und Ethikdiskussion.
  • Joachim Jahn, Anwälte und Richter wollen Paragraphen um Ethik ergänzen, zum Zusammenhang zwischen Image-Verlust und Ethikdiskussion.
  • Auch in den USA wurde Ethik thematisiert, als das Image des Berufsstands der Anwaltschaft im Keller war, Deichsel, NJW Beilage zu Heft5/2006, 27.
  • BRAK, „Diskussionspapier des BRAK-Präsidiums zur Berufsethik der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Stand 30.8.2010)“, BRAK-Mitteilungen 02/2011, 58ff.
  • Auflistung der Ethik-Panels auf den Deutschen Anwaltstagen.
  • Zur Kritik an dem BRAK-Diskussionspapier siehe Markus Hartung, „Ethos ja, Kodex nein“, AnwBl 2012, 70.
  • Die 10 SRA-Principles 2011.
  • Stephen Mayson, Restoring a future for law.

Bildnachweis: „Informationsmangel“ AllzweckJack/photocase.de

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