Vom Werbeverbot zum anwaltlichen Werberecht

Heutzutage ist es Anwälten unter den Einschränkungen des §§ 43b BRAO, 6ff. BORA erlaubt, für sich zu werben. Das war lange Zeit anders: Die Wurzeln des anwaltlichen Werbeverbots zum Schutz des Standes reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Ausgeformt worden war das anwaltliche Werbeverbot, weil es an einer ausdrücklichen Regelung in der Reichsrechtsanwaltsordnung vom 01. Juli 1878 fehlte durch die Rechtsprechung der Ehrengerichte. Diese fand im Jahr 1929 Eingang in die Standesrichtlinien. Zuletzt war das Werbeverbot für Anwälte in § 2 Abs. 2 der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts, den so genannten Richtlinien der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) vom 21. Juni 1973 kodifiziert.

In zwei Beschlüssen vom 14. Juli 1987 entschied das Bundesverfassungsgericht dass die Richtlinien des Standesrechts keine ausreichende Grundlage für die Einschränkung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellen. Nach dem Tag Ihrer Verkündung, dem Jahrestag des Sturms auf die Bastille im Jahr 1789 als Auftakt der französischen Revolution werden diese Beschlüsse als Bastille-Entscheidungen bezeichnet.

Auf die Bastille-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts folgte eine mehrjährige Diskussion, die zu der Berufsrechtsnovelle vom 02. September 1994 führte. Mit ihr wurde die heute noch geltende Bestimmung des § 43b BRAO eingeführt, nach der dem Rechtsanwalt Werbung erlaubt ist, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Obwohl die Formulierung der Bestimmung den Eindruck erweckt, dass sie Werbung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, stellt sie tatsächlich eine Beschränkung des Grundsatzes der anwaltlichen Werbefreiheit dar.

Die Rechtsprechung, vor allem des Bundesverfassungsgerichts, hat diese Bestimmung in den vergangenen Jahren beständig liberalisiert und die Zahl der Rechtsstreitigkeiten um Werbefragen nimmt ab. In letzter Zeit waren vor allem qualifizierende Berufsbezeichnungen bzw. Schwerpunktbezeichnungen, etwa als „Zertifizierter Testamentsvollstrecker“, BRAK-Mitteilungen 2010 (Heft 4), S. 184, „Experten-Kanzlei“ Anwaltsblatt 2011 (Heft 2) S. 145 oder die Bezeichnung als „erfolgreicher Absolvent des Fachanwaltslehrgangs“ www.klawtext.blogspot.com streitig. Neben der Frage der Sachlichkeit der Werbung ging es insbesondere die Verwechselungs- bzw.  Irreführungsgefahr (§ 7 Abs. 2 BORA).

Zum Nach- und Weiterlesen:

  • Zu den historischen Wurzeln des anwaltlichen Werbeverbots: Winkler in „Die Liberalisierung der Werbung für anwaltliche Dienstleistungen in Deutschland“, in: Geiß, Gerstenmaier, Winkler: Festschrift für Karl Peter Mailänder zum 70. Geburtstag am 23. Oktober 2006, S. 231ff.
  • Siehe zu den Standesrichtlinien Stehmann, „Beschäftigungsverhältnisse unter Rechtsanwälten – zivil-, arbeits- und standesrechtliche Probleme“ 1988 http://www.rechtsanwalt-stehmann.de/dissertation/kapitelb.html.
  • Die Bastille-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1987 sind etwa abgedruckt in der NJW 1988, S. 191 und S. 194
  • Als Berufsrechtsnovelle wird das „Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 02. September 1994 BGBl. I S. 2278“ bezeichnet. Es wurde am 08.09.1994 verkündet und trat am Tag nach der Verkündung also am 09.09.1994 in Kraft.
  • Siehe zu den aktuellen Entscheidungen in Werbefragen Dahns, NJW-Spezial 2011 (Heft 2), S. 62 (63) sowie Grunewald, NJW 2010 (Heft 49), S. 3551ff. (3552f.).

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