Die Werbefreiheit endet an der Robe

Es kommt nicht oft vor, dass man ein Urteil liest und sich dazu Popcorn wünscht. Das Urteil des AGH Nordrhein-Westfalen zu der Frage, ob man den Rücken einer Robe mit der Domain der Kanzleiwebsite bedrucken oder besticken darf, aber hat Unterhaltungswert.

Anwaltsroben und Fußballtrikots

Der Kläger, ein Kollege aus Brühl bei Köln, ist kein Unbekannter. Er hatte bereits die Idee, Tassen mit Schockwerbung bedrucken zu lassen. Die Motive beispielsweise: Schläge auf das nackte Hinterteil oder eine Frau, die sich eine Pistole unter das Kinn hält – wir erinnern uns. Nun ist ihm, nach seinen eigenen Ausführungen, beim Public Viewing während der Fußballweltmeisterschaft die Idee gekommen, dass Anwaltsroben, ähnlich wie Fußballtrikots, auch bedruckt oder bestickt werden könnten. Man spinne den Vergleich weiter: Unter dem leicht gebogen angebrachten Spieler- äh Anwaltsnamen prangt dann eine große 1 – denn welche Kanzlei wäre nicht gerne die Nummer 1 auf ihrem Gebiet – am Revers findet sich der Schriftzug von Opel, der den Kanzleiwagen sponsert, und statt dunkler Straßenschuhe trägt der Kollege gelbe Turnschuhe.

Lassen wir den Vergleich an dieser Stelle enden und wenden uns dem weiteren Vortrag des Kollegen zu: Wenn der Anwalt, der diese Robe trage, in der mündlichen Verhandlung ‚eine gute Figur mache’ würde dies dazu führen, dass er später angesprochen werde, was jedoch ohne Namensnennung ebenso wie Empfehlungen schwierig sei. Wenn die Internetadresse auf der Robe kommuniziert werde, sei es genau so, wie auch Fußballspieler auf dem Spielfeld gekennzeichnet werden, um sie auch von weiter noch identifizieren zu können.

Aha. Nicht nur, dass das Geschehen im Gerichtssaal überschaubarer ist als auf dem Fußballfeld – zumindest was die Rollen der Beteiligten betrifft – auch die Fernseh- oder Hörfunk-Liveübertragung aus dem Gerichtssaal ist bislang unzulässig. Vor allem aber ist es Aufgabe des Anwalts seinen Mandanten im Gerichtssaal bestmöglich zu vertreten – und nicht durch seine Performance neue Mandanten zu akquirieren. Auch der weitere Vergleich mit Ärzten, Klempnern und Stewardessen überzeugt im Ergebnis nicht.

Funktion der Robe

Die Robe soll nach dem Willen des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen dazu dienen, dass „man die Spitzbuben schon von weitem erkenne und sich vor ihnen hüten kann“ – so weit so bekannt. Das bräuchte man nicht zitieren, gäbe es hierzu nicht die schöne Kommentierung von Hanns Prütting in dem gemeinsam mit Martin Henssler herausgegebenen BRAO-Kommentar: „Dieser Normzweck dürfte heute wohl überholt sein.“

Heute soll die Pflicht, eine Robe zu tragen – wenn und soweit sie überhaupt gilt – die Rechtsstellung des Anwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege im Gerichtssaal unterstreichen. Dieser etwas sperrige Begriff des „Organs der Rechtspflege“ bedeutet nichts anderes, als das Anwältinnen und Anwälte für den Rechtsstaat unverzichtbar sind – ein Organismus funktioniert eben nicht ohne Organe. Durch das Tragen der Robe wird der Rechtsanwalt den anderen Parteirollen – Richter, Staatsanwalt – zumindest rein äußerlich angenähert. Schon aus diesem Zweck erschließt sich, dass werbende Zusätze auf der Robe nicht zulässig sind.

So sah es auch der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen. Er führt aus, dass das Tragen einer Robe, die so groß den Namen des Anwalts und der Kanzlei-Website trägt, dass beides aus acht Metern Entfernung noch gut lesbar ist, gegen § 20 BORA verstößt. Der Sinn des Robetragens bestehe darin, Anwälte im Rahmen einer Verhandlung aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer herauszuheben und ihre Stellung als Organ der Rechtspflege sichtbar zu machen. Darin liege auch ein zumindest unmittelbarer Nutzen für Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess, denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum werde gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung jener Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität gewährleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen könne. Die Robe habe daher von werbenden Zusätzen frei zu sein; auf die Frage der Sachlichkeit komme es nicht an.

Anwaltliche Werbefreiheit vs. Robenverständnis

Berufsrechtlich ist dieser Fall nicht ohne. Denn hier kollidieren zwei Rechtsgüter: Die anwaltliche Werbung ist heute erlaubt. § 43b BRAO verbietet lediglich unsachliche und auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete Werbung; beides ist hier nicht der Fall. Dem steht das Verständnis von Sinn und Zweck der Robe als traditioneller Standestracht gegenüber, welche die Funktion des Anwalts im rechtsstaatlichen Verfahren zum Ausdruck bringt. Der AGH hat diese Kollision zugunsten des traditionellen Verständnisses der Robe aufgelöst und die Werbefreiheit an dieser Stelle beschränkt.

Das Hinspiel hat damit die beklagte Rechtsanwaltskammer Köln gewonnen. Die Rückrunde ist aber möglich: Die Berufung zum BGH ist zugelassen.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Bildnachweis: „Judge and lawyer talking in corridor“ ©ojoimages4 – photocase.de

Kommentare

Frank Remmertz
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Werbung auf der Robe wäre auch der Form nach unsachlich i.S.v. 43b BRAO. Die Robe ist schon als Werbeträger unsachlich, unabhängig von der Werbeaussage. Ähnliche Fälle wurden früher bereits diskutiert, ob anwaltliche Werbung auf Taxen oder Bussen zulässig ist.

reinemann
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Vielen Dank für den Kommentar! Wenn die Robe als Werbeträger unsachlich ist, ist das aber doch auch Ausdruck der Funktion der Robe, oder? Nur die systematische Einordnung (§ 43b BRAO statt § 20 BORA) wäre eine andere.

Frank Remmertz
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Das ist korrekt. 20 BORA und 43b BRAO dürften nebeneinander anwendbar sein.

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