Das Drama mit den Frauen
Gender-Diversity als Kanzleikultur
Die Relevanz von Diversity als Kanzleikultur, und dazu zählt auch die Förderung von Frauen, wird zunehmen. Um aufsteigen zu können, brauchen Frauen allerdings keine speziellen Frauenförderprogramme. Sie sollten gleichermaßen wie ihre männliche Kollegen weitergebildet und qualifiziert werden – und das eben nicht in reinen Frauengruppen, das ist seitens der Anwältinnen gar nicht erwünscht. Nein, sie brauchen bessere Netzwerke und Partner, die sich für sie einsetzen. Eine Möglichkeit zur Vernetzung können interne Events außerhalb der sog. Feierabenddrinks bieten.
Die Kanzleien werden sich umstellen müssen. Etwa bei den hohen Präsenzzeiten in der Kanzlei. Die ständige Verfügbarkeit muss sich nicht unbedingt darin zeigen, dass man in den Kanzleiräumen anwesend ist. Flexiblere Arbeitszeiten, in- und außerhalb der Sozietät schaffen die Möglichkeit, Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu betreuen. Das strikte Einhalten von Meetingzeiten trägt zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Eine konsequente Stellvertretung in der Mandatsführung ist, auch wenn die Anwaltstätigkeit stark personalisiert ist, letztlich nur eine Frage von Organisation und Kommunikation.
Überhaupt lebt Diversity davon, dass sie kommuniziert wird. Dies gilt gerade für den Prozess der Implementierung innerhalb der Kanzlei. Ein Kulturwandel vollzieht sich nur, wenn er gelebt wird und jeder davon weiß. Dies gilt auch für die Kanzlei-Standorte untereinander. Wenn in München eine Partnerin Teilzeit arbeitet, kann dies eine Anwältin in Frankfurt ermutigen, sich trotz Kinderwunsch für den Verbleib in der Kanzlei zu entscheiden, statt etwa in den Richterberuf zu wechseln.
Aber auch in der Kommunikation nach außen wird die Bedeutung von Diversity als Marketing- bzw. Kommunikationsinstrument wichtiger werden. Um Frauen zu gewinnen, müssen Kanzleien deutlich machen, was sie tatsächlich tun, damit Frauen bei ihnen Partnerchancen haben. Kommunikation von Diversity braucht also vor allem den Nachweis und Beweis, dass die Kanzlei sich hier engagiert. Aussagen wie „Es kommt auf die Leistung an, das Geschlecht ist egal“ oder „Frauen haben bei uns die gleichen Chancen wie Männer“ sollten selbstverständlich sein und überzeugen keine Absolventin.
Ein Beweis für gelebte Diversity sind „echte“ Vorbilder in der Kanzlei. Also zum Beispiel Partnerinnen die Familie haben, Teilzeit arbeiten oder von einem Frauennetzwerk profitieren. Denn die wenigen Frauen, die es scheinbar mühelos schaffen, Karriere und Familie unter einen Hut bringen, und dabei ständig im Büro präsent sind, sind die große Ausnahme und damit kein Vorbild, weder für die jungen Anwältinnen noch für die Generation Y.
Kanzleien müssen sich ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verantwortung stellen
Diversity, und auch Gender-Diversity, kann aber nur dann glaubwürdig und wirkungsvoll kommuniziert werden, wenn sie keine Image-Nummer ist, sondern selbstverständlich, dauerhaft und identitär. Die Anwaltschaft sollte sich bewusst sein, dass sie insoweit eine gesellschaftliche Verantwortung trägt. Dies gilt insbesondere für die großen Wirtschaftskanzleien, die zwar nur 4 % der Kanzleien in Deutschland ausmachen, aber 40 % des gesamten Umsatzes der Rechtsberatung erwirtschaften und damit besondere wirtschaftliche Bedeutung haben. Solange Frauen in Top Jobs nämlich die Ausnahme bleiben, also im Arbeitsleben keinen gleichwertigen Anteil erreicht haben, sondern als potentielle Mutter und damit als Risikofaktor für den reibungslosen Kanzleialltag angesehen werden, werden sie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen marginalisiert werden. Dass im Jahr 2013 die Partnerschaft in Wirtschaftskanzleien noch immer so ausgestaltet ist, dass sie für Frauen nicht attraktiv ist, ist eine Armutserklärung, für die sich die Top-Kanzleien zu schade sein sollten.
Es gibt also viele gute Gründe dafür, Frauen zu Partnern in den großen Wirtschaftskanzleien zu machen. Werden M&A-Deals also erfolgreicher, wenn Frauen mit am Verhandlungstisch sitzen? Es wäre einen Versuch wert.
Zum Nach- und Weiterlesen:
- Ulrike Barth/ Parissa Kerkhoff/ Antje Neumann, Quotenfrauen und Machomänner, JUVE Rechtsmarkt 01/2012, S. 37ff. (hieraus stammen die im Beitrag zitierten Zahlen)
- Henrik Holst, Kaum Frauen als Partner, Handelsblatt, 05.03.2013, S. 15
- Markus Hartung, Das Ende des Dogmas der Verfügbarkeit, AnwBl 4/2013, S. 265ff.
- Birgit Spießhofer, Der Gender Code – auf dem Weg zu einer Kultur der Selbstverständlichkeit, AnwBl 4/2013, S. 240ff.
- Soldan Institut, Ergebnisse einer Befragung von 3.500 Kolleginnen und Kollegen, präsentiert auf dem 63. Deutschen Anwaltstag 2012 in München, aufgegriffen in dem Artikel Junge Anwälte sammeln Erfahrung ohne Risiko, FAZ vom 20.06.2012, S. 19
- Susanne Baer, Festvortrag auf dem 64. Deutschen Anwaltstag 2013 in Düsseldorf (ab 11:18 zur Zukunft des Berufsstands einschließlich Gender-Fragen)
- Teresa Bücker, Der Montag liebt Dich, Vortrag auf der re:publica 2013
- Eleanor Tabi Haller-Jorden, Geschmäht und vom Erfolg abgeschnitten, www.sueddeutsche.de, vom 06.03.2013
- Prognos AG, Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030, Studie im Auftrag des Deutschen Anwaltverein e.V., 2013 (auf Seite 121 zu Vorteilen gemischt-geschlechtlicher Teams)
- Barbara Mayer, Nicht nur bunter, nicht nur schöner, www.lto.de, 04.06.2011
- Leo Staub, Der Evaluationsprozeß muss objektiviert werden, tangente 01/13, S. 2ff.
- Daniela Rastetter, Mikropolitisches Handeln von Frauen, in Haubl/Daser (Hg.), Macht und Psyche in Organisationen, 2007
Bildnachweis: „Woman’s lege wearing shoes with high heels“ ©ollipetrova, www.fotolia.com
Kommentare
Schöner Artikel.
Naja ich denke das wird sich noch ändern. Ich finde zwar, dass es selbstverständlich ist, dass Frauen genau so wie Männer in diesem Geschäft erfolg haben können. Aber ok, anscheinend ist dies nicht selbstverständlich.
Beim M&A-Geschäft schaut es zurzeit eher schlecht aus. Denn der M&A-Markt steht unter dem Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. [Quelle: http://www.finance-magazin.de/strategie-effizienz/ma/sicherungsfragen-bei-ma-im-vordergrund/ ]
Mal sehen, wann sich dies wieder einspielt.
Gruß
W.