Fremdbesitz an Kanzleien
Fremdbesitz in Form von Kapitalinvestition
Schwieriger aber ist die Sachlage, wenn die Möglichkeit eröffnet werden sollte, externe Kapitalgeber wie zum Beispiel Finanzinvestoren, Banken oder wie ein England Supermarktketten als Minderheiteneigner an Anwaltskanzleien zu beteiligen.
Kanzleien ohne Fremdbesitz
Sollte diese Möglichkeit eröffnet werden, wird dies nur für Kanzleien in bestimmten Segmenten attraktiv sein. Der Blick nach England zeigt, dass dort die großen Kanzleien bislang wohl eher zurückhaltend reagieren. Auch in Deutschland dürften die Großkanzleien regelmäßig keinen Bedarf haben, externe Geldgeber zu beteiligen. Hier dürften die Sorge um die Unabhängigkeit und Vertraulichkeit im Vordergrund stehen. Für diese Kanzleien, die auf Fremdbesitz verzichten, dürfte die Kommunikationsstrategie auf der Hand liegen: Sie können ihre Unabhängigkeit in den Vordergrund stellen.
Kanzleien mit Fremdbesitz
Demgegenüber könnte es für andere als die großen Kanzleien durchaus interessant sein, fremdes Kapital in Form von (Minderheiten-)Beteiligungen aufzunehmen. Dies gilt insbesondere für Kanzleien aus dem mittleren oder kleinen Segment, die eine eher standardisierte Dienstleistung anbieten und ihre Erfahrung vor allem aus der Vielzahl der Mandate schöpfen. Diese Kanzleien könnten das Kapital, das ihnen von Investoren zur Verfügung gestellt wird, dazu nutzen, um Strukturen zu finanzieren, die erforderlich sind, um ihr Angebot für eine Vielzahl von Mandanten bzw. Mandate anbieten zu können, etwa indem sie in ihre Infrastruktur auf- oder ausbauen, also etwa die IT verbessern oder neue Standorte aufbauen. Im Ergebnis könnte die Fremdfinanzierung in diesen Fällen dazu beitragen, den Mandanten überhaupt eine, oder aber eine verbesserte oder günstigere Rechtsdienstleistung anzubieten.
Aber auch andere Fälle sind denkbar, in denen es sinnvoll sein kann, Fremdkapital aufzunehmen, etwa wenn Sozietäten wachsen oder sich restrukturieren wollen oder wenn bei einem Generationenwechsel die Kanzlei von den älteren auf die jüngeren Partner übergehen soll. Außerdem kann Fremdkapital die Möglichkeiten des Recruitings verbessern, indem die Mittel dazu genutzt werden, um besonders attraktive Kolleginnen oder Kollegen für sich gewinnen zu können, die sich die Sozietät ansonsten nicht leisten könnte.
Das grundlegende Problem, das sich stellt, wenn sich Finanzinvestoren an einer Anwaltskanzlei beteiligen ist, dass die Interessen von Investor und Rechtsanwalt – anders als bei der interprofessionellen Zusammenarbeit – nicht ähnlich gelagert sind, sondern weit auseinander liegen, wenn nicht gar entgegengesetzt sind. Denn während der Anwalt als Organ der Rechtspflege dem Gemeinwohl verpflichtet ist und ein wirtschaftliches Interesse nicht im Vordergrund stehen darf, beteiligt sich ein Investor mit dem Ziel, möglichst viel Gewinn zu erzielen. Weil der Rechtsanwalt bei seiner Berufsausübung kaum gegen die Interessen seines Investors handeln wird, wird hierin vor allem eine Gefahr für die anwaltliche Unabhängigkeit gesehen. Darüber hinaus können auch andere anwaltliche Grundwerte, wie etwa die Vertraulichkeit (etwa gegenüber dem Investor) oder auch die Unabhängigkeit bei der Annahme von Mandanten und Mandaten von der Beteiligung berührt sein. Rechtsrat der vor allem einem wirtschaftlichen Diktat unterliege, so die Sorge, verkomme zur Ware und erschüttere das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums. Und größer gedacht: Sobald auch nur der Anschein entsteht, dass die anwaltliche Bearbeitung des Mandats und damit die Durchsetzung der Ansprüche und Rechte des Mandanten durch einen Konflikt mit dem Investor berührt wird oder gar von ihm abhängt, wird das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert.
Fasst man diese Bedenken zusammen, so geht es in erster Linie um einen Verlust an Vertrauen, der bei Mandanten und Rechtssuchenden entstehen wird. Sollte sich der Gesetzgeber also dafür entscheiden, eine Fremdbeteiligung an Kanzleien zuzulassen, so müsste er zugleich Vorkehrungen schaffen die gewährleisten, dass die Gefahren, die durch die Fremdbeteiligung eröffnet werden, ausgeschlossen werden.
Hieraus dürfte sich – abhängig von der Ausrichtung der Kanzlei und den Gründen für die Aufnahme des Fremdbesitzes – auch bereits die Kommunikationsstrategie ergeben: Zum einen könnten die Vorteile in den Vordergrund gestellt werden, die sich aus der Aufnahme des Finanzinvestors ergeben, zum anderen könnten etwaige Bedenken, dass anwaltliche Grundwerte berührt werden, dadurch begegnet werden, dass die Maßnahmen skizziert werden, die getroffen wurden, um diese Gefahren auszuschließen.
Zum Nach- und Weiterlesen:
- Register of licensed bodies (Alternative Business Structures – ABS) der englischen Regulierungsbehörde Solicitors Regulation Authority (SRA)
- Markus Hartung, Fremdbesitz an Kanzleien: Weniger Nebelkerzen – Weitblick zählt, AnwBl 8+9/2012, S. 727
- Markus Hartung, Im Blickpunkt: Fremdbesitz und Alternative Business Structures – Nichtrechtsanwälte als Finanzinvestoren in Kanzleien, Betriebsberater, 36/2012, S. VI – VII
- Markus Hartung, „Ich bin ein Apotheker“, AnwBl 2009, S. 704ff.
- Matthias Kilian/ Stefanie Lemke, Anwaltsgesellschaften mit berufsfremder Kapitalbeteiligung, AnwBl 2011, S. 800ff.
- Nicola de Paoli, Einmal Kaugummi und Anwalt bitte, www.ftd.de, 21.02.2012
- Nicola de Paoli, Rechtsberatung wird zum Business, AnwBl 2011, S. 733ff.
- Nicola de Paoli, England: 30 Anträge auf Fremdbesitz an Kanzleien in einer Woche gestellt, AnwBl 2012, M0046
- Reinhard Singer, Urknall Bastille-Beschlüsse – Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Anwaltschaft, BRAK-Mitteilungen 4/2012, S. 145ff.
- Martin Quodbach, Grenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, Diss jur. 2002
- Datev, Anwaltliches Risiko-Management durch Kanzleiorganisation, Folie 15
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