Fremdbesitz an Kanzleien
Kommunikation gegen den Vertrauensverlust
Nach einer umfassenden Neuordnung des Anwaltsrechts in England und Wales ist seit Ende des Jahres 2011 die Fremdbeteiligung von Nicht-Anwälten an Anwaltskanzleien möglich – unter strenger Aufsicht sogar bis zu 100 %. Und auch in anderen Ländern Europas (zum Beispiel Italien oder Spanien) ist eine Finanzierung von Anwaltskanzleien durch Fremdkapital zulässig, wenn auch (nur) in Form von Minderheitenbeteiligung. Weil viele englische Anwaltskanzleien grenzüberschreitend auch in Deutschland tätig sind, wird erwartet, dass diese Entwicklung auch Auswirkungen auf den deutschen Anwaltsmarkt haben wird. Dementsprechend wird das Thema Fremdbeteiligung bzw. Fremdbesitz inzwischen auch hier diskutiert.
Was fällt alles unter den Begriff Fremdbesitz?
Unter den Begriff Fremdbesitz (in England: „Alternativ Business Structures“) fällt sowohl die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit anderen Berufen, z.B. Architekten oder Ärzten, Ingenieuren oder Unternehmensberatern (sog. Interprofessionelle Zusammenarbeit), als auch die berufsfremde Kapitalbeteiligung an Kanzleien, etwa von Banken, Finanzinvestoren oder Supermarktketten. In England und Wales kann seit der genannten Reform außerdem ein Nicht-Anwalt als Manager eine Kanzlei leiten.
Deutsches Berufsrecht
Demgegenüber ist das deutsche Berufsrecht bislang restriktiv: § 59a BRAO definiert und beschränkt zugleich den Personenkreis, mit dem Anwälte sich assoziieren dürfen, § 59e BRAO normiert den Gesellschafterkreis einer Rechtsanwaltsgesellschaft und schließt eine rein kapitalmäßige Beteiligung durch berufsfremde Personen aus. Dies soll dem Schutz der Mandanteninteressen, vor allem der Verschwiegenheitspflicht, dienen, Interessenkonflikte vermeiden und die Unabhängigkeit der Anwälte wahren.
Was wäre, wenn….?
Aber was wäre, wenn das anwaltliche Berufsrecht liberalisiert werden würde? Je nachdem, welche Öffnungen vorgenommen werden würden, würde dies ganz erhebliche Folgen für den Rechtsdienstleistungsmarkt, für die Anzahl und Struktur der Kanzleien und die Ausgestaltung der Rechtsberatung haben, und nicht alle davon wären wünschenswert. Als Folge können Ängste, Verunsicherung und Vertrauensverlust auf Seiten der Mandantschaft entstehen. Würde Fremdbesitz zugelassen, wäre dies für Rechtssuchende also von erheblicher Bedeutung – und das hätte wiederum Auswirkungen auf die Anwaltschaft.