Von Bohrlöchern, einem Auto das umfällt und davon, dass eine Krise auch etwas Gutes haben kann

Was verbinden Sie mit dem Begriff „Krise“? Vielleicht BP und ein Bohrloch im Golf von Mexiko? Oder die katholische Kirche und ihre Internate? Der eine oder die andere wird sich sicher auch an den legendären Elchtest erinnern. Dreiundzwanzig Jahre ist es schon wieder her, dass dabei die Mercedes A-Klasse umgefallen ist.

Denken Sie bei dem Begriff Krise auch an Anwaltskanzleien? Wohl eher nicht. Anwaltskanzleien werden in der öffentlichen Wahrnehmung zum Glück nicht mit Krisen in Verbindung gebracht. Es wäre allerdings trügerisch, daraus den Schluss zu ziehen, dass Anwaltskanzleien kein Krisenpotential haben.

Krisenpotential

Natürlich sind Anwaltskanzleien nicht in gleicher Weise krisengefährdet wie Ölkonzerne, Autobauer, Pharmariesen oder die Lebensmittelindustrie – schon allein weil sie nicht so im Licht der Öffentlichkeit stehen. Aber auch sie können von Krisen ereilt werden. Das gilt nicht nur für Großkanzleien, die Gesetze für Ministerien entwerfen. Auch kleine und mittelständische Kanzleien können zum Beispiel ungewollt Gegenstand von Presseberichten in der örtlichen Tageszeitung werden, etwa weil Journalisten Mandantenbehauptungen aufgreifen, gleich ob berechtigt oder unberechtigt.

Das Internet kann diese Gefahren potenzieren. Abmahnkanzleien zum Beispiel kommen in der Blogosphäre eher schlecht weg. Zwar richtet sich der Unmut der Blogger meist gegen die abmahnenden Unternehmen. Aber auch die Kanzleien werden regelmäßig namentlich genannt und nicht selten werden auch die anwaltlichen Schriftsätze veröffentlicht. Und auch Anrufe werden dokumentiert; so findet sich auf Youtube zumindest ein Video, auf dem eine Nachricht zu hören ist, die ein Rechtsanwalt auf dem Anrufbeantworter eines Abgemahnten hinterlassen hat.

Krisen können, müssen aber nicht auf anwaltlichem Fehlverhalten beruhen. Auch unberechtigte Vorwürfe können, wenn sie einmal erhoben sind, eine Krise auslösen. Und auch darauf, welche Fälle die Medien aufgreifen, hat der Anwalt keinen Einfluss. Entscheidend sind hier verschiedene Faktoren wie etwa: Ist der Fall aktuell? Liegt ihm ein menschliches Schicksal zugrunde? Handelt es sich den klassischen Kampf David gegen Goliath? Und nicht zuletzt: Wie ist die Nachrichtenlage im Übrigen?

Eine Kanzlei kann also alles richtig machen und trotzdem in eine Krise geraten.

Was ist eine Krise?

Ausgelöst durch ein einzelnes oder eine Reihe von Ereignissen stellt eine Krise einen Bruch in der bisherigen Kontinuität dar und bildet den Höhe- und Wendepunkt einer für die Kanzlei gefährlichen Entwicklung. Das Image der Kanzlei oder ihrer Anwälte kann beschädigt und der berufliche Erfolg dauerhaft gefährdet werden.

Befindet sich die Kanzlei in einer Krise findet der übliche Kanzleialltag nicht mehr statt. Die Anwälte sind gezwungen die Krise zu bewältigen, anstatt Akten zu bearbeiten, Mandantengespräche zu führen und Gerichtstermine wahrzunehmen. Vor allem der Umgang mit den Medien bzw. der Öffentlichkeit hat jetzt Priorität.

Was macht gute Krisenkommunikation aus?

Nicht so sehr die Krise selbst, sondern vor allem der Umgang mit ihr kann darüber entscheiden, ob die Kanzlei einen dauerhaften Imageschaden davonträgt. Da in einer Krise Vertrauen verloren geht, sollte Krisenkommunikation stets zum Ziel haben, dieses verlorene Vertrauen wieder herzustellen. Auch wenn jede Krise individuell verläuft, gibt es hierfür einige Grundregeln:

  • Widerstehen Sie der Versuchung, die Krise auszusitzen
    Hoffen Sie nicht, dass sich die Krise von selbst erledigt. Aus kommunikativer Perspektive wird dies nicht geschehen. Im Gegenteil: Eine kommunikativ nicht bewältigte Krise wird Ihre Handlungsoptionen für die Zukunft weiter einschränken. Es ist normal, dass man in einer Krise regelmäßig nicht sämtliche Folgen der eigenen Handlungen überblicken kann. Lassen Sie sich davon aber nicht zur Untätigkeit verleiten.
  • Kommunizieren Sie so offen(siv) wie möglich
    Dies gilt natürlich nur und soweit dies rechtlich zulässig ist! Hier ist insbesondere die Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu beachten, § 43a Abs. 2 BRAO. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, sich von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbinden zu lassen. Bei öffentlichen Angriffen, die Ihr berufliches Ansehen beeinträchtigen, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen als ultima ratio das Recht, diese Vorwürfe richtigzustellen. Stimmen Sie Ihre Kommunikation gegebenenfalls mit Ihrer Rechtsanwaltskammer ab.Wenn Sie offen kommunizieren dürfen, können Sie Vertrauen zurückgewinnen, indem Sie das volle Ausmaß der Krise darstellen und keine Informationen zurückhalten. Demgegenüber verspielen Sie (noch mehr) Vertrauen, wenn Sie nur zugestehen, was ohnehin bekannt ist. Ein weiterer Vorteil offen(siv)er Kommunikation ist, dass die Medien Sie fragen, anstatt jemand anderen, dessen Kommunikation Sie im Zweifel nicht beeinflussen können.Das A und O einer offen(siv)en Kommunikation ist, dass Sie souverän sind. Gestehen Sie ein, wenn Sie Fehler gemacht haben. Das ist kein Drama, wenn es nicht allzu häufig passiert. Vermeiden Sie im Übrigen Schuldzuweisungen. Versuchen Sie sich in die Position des Gegenüber zu versetzen und sich möglichst nicht angegriffen zu fühlen, sondern objektiv zu reagieren.
  • Reagieren Sie schnell
    Wenn es tatsächlich ein Problem gibt, dann zeigen Sie, dass Sie es erkannt haben, ernst nehmen und an einer Lösung arbeiten. Dies gilt auch für den Fall, dass Sie inhaltlich zu den Vorwürfen nichts sagen dürfen.
  • Sprechen Sie gegebenenfalls auf dem kurzen Weg
    Manche Krise lässt sich bereits dadurch ausräumen, dass Sie unmittelbar auf denjenigen zugehen, der die Krise ausgelöst hat. Es kann sich also lohnen, ein konstruktives Gespräch zu suchen. Bereiten Sie sich darauf gut vor, denn Sie müssen damit rechnen, dass auch der Inhalt dieses Gesprächs an die Medien weitergegeben wird.

Auch eine Krise hat eine positive Seite: Sie steigert Bekanntheit und Aufmerksamkeit. Mit ein bisschen Mut kann die durch eine Krise ausgelöste Medienöffentlichkeit dabei auch positiv gewendet werden. Mercedes etwa warb nach dem verpatzten Elchtest mit Anzeigen: „Stark ist, wer keine Fehler macht. Noch stärker ist, wer aus seinen Fehlern lernt.“

Zum Nach- und Weiterlesen:

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