Litigation-PR: Ein Gegenentwurf

Kommunikation nach Maßgabe der Anwälte

In Deutschland ist die Litigation-PR eine noch recht junge Disziplin. Von einigen Kommunikationsberatern in den letzten Jahren massiv vorangetrieben, hat sie mittlerweile Eingang in das kommunikationswissenschaftliche und juristische Schrifttum gefunden. In Frankfurt, Berlin und München fanden seit Herbst 2009 sogar eigene Litigation-PR-Tagungen statt.

Was ist Litigation-PR?

Litigation-PR bedeutet, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit juristischen Auseinandersetzungen, insbesondere im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren, zu betreiben. Richtig verstanden dient Litigation-PR aber nicht dazu, auf ein Urteil, einen Beschluss oder einen gerichtlichen Vergleich Einfluss zu nehmen. Gerichtliche Entscheidungen werden im Gerichtssaal getroffen. Und das ist gut so.

Ziel der Litigation-PR ist es vielmehr, „die Reputation einer Person oder eines Unternehmens im Falle einer juristischen Auseinandersetzung zu schützen und/oder wiederherzustellen“, so Rechtsanwalt Alexander Unverzagt auf der Ersten Münchener Litigation-PR-Tagung am 16.09.2010 in München.

Die gegenteilige Auffassung von Uwe Wolff, nach der „Wir, das heißt die Medienkonsumenten, die Medienvertreter, die Öffentlichkeit, die Entscheider in Politik und Wirtschaft“ und „stellvertretend für uns natürlich die Medien“ „über Schuld und Unschuld eines Angeklagten befinden“, halte ich nicht nur falsch. Ich halte sie auch für gefährlich. Denn den Medien geht es schon aus der Natur der Sache heraus nicht um die Rechtsfindung. Ihnen geht es um eine gute Schlagzeile und eine gute Geschichte, am besten exklusiv oder zumindest vor allen anderen. Ihnen die Rechtsfindung zu überlassen, würde dazu führen, das hohe Gut eines rechtsstaatlichen Gerichtsprozesses ohne Not aufzugeben.

Liest man Uwe Wolff weiter, merkt man, dass es ihm auch gar nicht darum geht, die Öffentlichkeit entscheiden zu lassen, sondern vielmehr die Öffentlichkeit zu eigenen Zwecken zu benutzen: „Wir instrumentalisieren alles und jeden, um dem juristischen Ziel des Mandanten möglichst nahe zu kommen.“ Wer diese Art von Litigation-PR ablehnt, den kann ich gut verstehen.

Erfreulicherweise wird Litigation-PR aber auch anders aufgefasst. So wünschte sich Rechtsanwalt Alexander Unverzagt auf der Ersten Münchner Litigation-PR-Tagung, dass „die Manipulation in der Litigation-PR nicht zur Kultur wird“. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Verständnis von Litigation-PR dauerhaft durchsetzt.

Besonderheit der Litigation-PR

Die Besonderheit der Litigation-PR ist die enge Zusammenarbeit der in der juristischen Auseinandersetzung tätigen Anwälte mit den Kommunikationsberatern, die häufig für beide Seiten neu ist und wegen der oft sehr unterschiedlichen Art zu kommunizieren eigene Herausforderungen mit sich bringt. Die Aufgaben sind dabei klar verteilt. „Federführend sind die Juristen“ sagte Jens Nordlohne, Geschäftsführer der Victrix Causa GmbH auf der Ersten Münchner Litigation-PR-Tagung. Eine Aufgabe der Kommunikationsberater sei es dabei, „die juristischen Details für die Öffentlichkeit zu übersetzen“. Dies könnte Anwälten etwaige Bedenken gegen die Disziplin Litigation-PR ein Stückweit nehmen.

Berechtigung der Litigation-PR

Auch wenn manche medialen Auswüchse irritieren: Dass die Öffentlichkeit die Justiz beobachtet ist aus rechtsstaatlicher und demokratischer Perspektive unerlässlich. Dennoch hat Litigation-PR, als Reputationsmanagement verstanden, eine eigene Berechtigung. Diese ergibt sich aus der Logik, nach der die Medien funktionieren. Nicht selten nämlich wird über eine Verhaftung, einen Verdacht, eine Anklage oder einen Prozessauftakt ausführlicher berichtet als über eine Entlassung aus dem Gefängnis, einen Freispruch oder die Einstellung eines Verfahrens. Eine mediale Rehabilitation findet also nur in wenigen Fällen statt. Und so kann es sein, dass man im Gerichtssaal gewinnt, aber in der öffentlichen Meinung verliert. Hier kann Litigation-PR zum Beispiel einen guten Beitrag leisten, das zu Unrecht beschädigte Image wieder aufzubauen.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Kommentare

Jens Nordlohne
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Die von Ihnen erwähnten Veranstaltungen zeigen eine sehr positive Entwicklung von Litigation-PR in Deutschland. Die seriösen Berater, die sich mit dieser jungen Kommunikationsdisziplin beschäftigen, waren sich einig, dass wir in Deutschland andere Verhältnisse vorfinden als beispielsweise in den USA. Auf “Krawall gebürstete” PR-Profis, die das Instrumentarium klassischer Öffentlichkeitsarbeit einsetzen, um Richter und Gericht direkt unter Druck zu setzen, werden in unserem Rechtssystem nur begrenzten Erfolg haben. Litigation-PR als Dienstleistung, die einem Mandanten Gehör verschafft, ihm Gelegenheit gibt, seine Sicht der Dinge zu schildern, die Sachverhalte erklärt und verständlich übersetzt und es dabei schafft, Verständnis für die “andere Seite” zu schaffen, die wird eine immer wichtigere Rolle spielen.

Prof. Dr. Perry Reisewitz
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Ich freue mich, dass unsere Veranstaltung an der Macromedia Hochschule in München auf so positive Resonanz stößt. Wir wollten ja bewusst die Spannbreite des Themas zeigen und zu Diskussionen anregen. Dazu gehört, ich stimme Jens Nordlohne da voll und ganz zu, der Umgang mit oft auf Sensation ausgerichteten Medien, für die juristische Themen, medial ‘richtig’ verpackt, hohe Auflagen versprechen.

Eine wesentliche Aufgabe der Litigation-PR ist es, die Seite des Angeklagten zu Gehör zu bringen. Nicht (zumindest nicht bei uns), um Gerichte zu beeinflussen, sondern um die Reputation zu schützen. Ein einmal beschädigtes Image wieder aufzubauen, ist freilich schwer. Besser, wenn es durch eine strategisch ausgerichtete Kommunikation gar nicht erst zur Beschädigung kommt. Und wenn doch? Susanne Reinemann hat Recht, wenn sie schreibt, dass positive Nachrichten (z.B. Freispruch) in den Medien kaum Widerhall finden. Zumindest nicht von alleine. Der Andere wird in einer Mediengesellschaft eben nur noch gehört, wenn er die Regeln des komplexen Systems beherrscht. Da helfen inzwischen auch bei uns auf das Thema Litigation spezialisierte PR-Berater.

Alexander M. Schmitt-Geiger
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Auch ich stimme Ihnen zu!

Unser wichtigstes Ziel ist der Schutz der Reputation des Mandanten.
Weiterhin soll verhindert werden, dass es zu einer Vorverurteilung in der Öffentlichkeit kommt. Die öffentliche Diskussion/Berichterstattung über ein Verfahren soll durch Litigation-PR differenzierter werden – die Sichtweise des Mandanten soll eben auch gehört werden. Litigation-PR kann weiterhin dazu beitragen, dass ein Urteil von der Öffentlichkeit im Sinne des Mandanten interpretiert wird.

Im Kern geht es also bei Litigation-PR um ein Deutungsgleichgewicht in der Berichterstattung.

Besonders freue mich, dass es unserer Tagung in München gelang, die Diskussion um das Für und Wider der Litigation-PR in die richtigen Bahnen zu lenken. Die Skepsis, gerade aus der Anwaltschaft, könnte somit der Einsicht weichen, dass Litigation-PR eine sinnvolle Bereicherung zur anwaltlichen Tätigkeit sein kann.

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