Ich bin ein Altfall

Führt man die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin in einem Unternehmen oder einer sonstigen Organisation, werden damit verschiedene Verkehrskreise angesprochen: Kolleginnen und Kollegen, Kunden, Wettbewerber, Zulieferer, Dienstleister und andere Gruppen, die mit dem Unternehmen bzw. dem Kollegen oder der Kollegin zu tun haben. Abzustellen ist bei der Verkehrsauffassung auf eine durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Person (vgl. BGH I ZR 53/13, Rn. 15 – Spezialisten-Entscheidung). Wie eine solche Person den Unterschied zwischen einem „Rechtsanwalt“ auf der einen und einem „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ auf der anderen Seite würdigt, weiß heute noch niemand, das wird uns die Rechtsprechung vielleicht mal sagen. Vorstellbar ist, dass mit dem Zusatz „Syndikusrechtsanwalt“ tatsächlich ein Bezug zum Unternehmen bzw. der Organisation hergestellt wird. Denkbar ist aber auch, dass er als eine besondere Qualifikation angesehen wird, ebenso wie man sich vorstellen kann, dass der Klammerzusatz als Einschränkung verstanden wird – letzteres zutreffend, weil ein Syndikusrechtsanwalt im Gegensatz zum bislang zugelassenen Rechtsanwalt nicht als niedergelassener Anwalt tätig sein darf, wenn er nicht die entsprechende (zweite) Zulassung hat.

Optimal ist ein Nebeneinander von verschiedenen Bezeichnungen innerhalb einer Organisation sicherlich nicht. Dies mag auch eine Verwechselungsgefahr begründen; ob deshalb aber eine Irreführung vorliegt, jedenfalls aber die Schwelle zu der notwendigen höheren Irreführungsquote überschritten wird, darf bezweifelt werden.

Im Rahmen einer Interessensabwägung wäre auch zu berücksichtigen, dass Kolleginnen und Kollegen diese Bezeichnung in der Vergangenheit geführt haben. Dies wäre ein Anknüpfungspunkt für einen Bestandsschutz. Denn sie haben ein berechtigtes Interesse daran, dass ihr Status nicht geschmälert wird.

Ergebnis

Die Bezeichnung Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin darf wohl auch in Zukunft von Syndici geführt werden, die eine Zulassung nach bisherigem Recht und bereits in der Vergangenheit die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ bzw. „Rechtsanwältin“ in der Organisation geführt haben. Ob dies auch die regionalen Rechtsanwaltskammern so sehen bleibt allerdings abzuwarten. Angesichts der offenen Rechtslage wird die Rechtsanwaltskammer München derzeit jedenfalls nicht gegen Kolleginnen und Kollegen vorgehen, die die Berufsbezeichnung weiterhin führen.

Disclosure: Ich habe eine Zulassung nach früherem Recht und bin sowohl als Rechtsanwältin bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber als auch selbständig (reinemann-law.de) tätig.

 

Zum Nach- und Weiterlesen:

  • BSG-Urteile vom 3. April 2014 Az. B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R
  • Die Zwei-Berufe-Theorie begründete der BGH mit Beschluss vom 7. November 1960, AnwZ (B) 2/60, BGHZ 33, 266 ff.

Bildnachweis: „Notes“ ©DragonImages – fotolia.com

 

Kommentare

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[…] Ich bin ein Altfall – Anwaltskommunikation Dr. Susanne Reinemann Die Frage der richtigen Bezeichnung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die eine Zulassung nach früherem Recht (also bis zum 31.12.2015) erteilt bekommen haben und bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber tätig sind. […]

Frank Remmertz
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Nunmehr rückt die Frage in den Vordergrund, ob sich „Alt-Syndici“ als Syndikusrechtsanwalt zulassen müssen. Die hanseatische Rechtsanwaltskammer scheint dies zu bejahen. Andere Kammern verneinen dies oder äußern sich zurückhaltend. Hier sollte bald kammerübergreifend eine einheitliche Linie herbeigeführt werden. In verfassungsrechtlicher Hinsicht gibt es gute Gründe, eine Zulassungspflicht für Alt-Syndici, die sich auf Bestandsschutz berufen können, zu verneien.

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